So uneinig und geteilter Meinung erlebt man ein Ratsgremium wohl selten – erst recht, wenn es um die Verabschiedung eines Haushalts geht. Mit 18 Ja- und 14 Nein-Stimmen kann die Verwaltung nach der Ratssitzung am Dienstagabend nur eine knappe Zustimmung für ihr vorgelegtes Zahlenwerk 2023 mit ins Rathaus nehmen. Im Rahmen der Sitzung formierten sich die Lager überaus deutlich. Einer strikten Ablehnung seitens der Grünen, der UWG und der FDP sowie dreier CDU-Mitglieder stand der Kompromiss einer Koalition aus SPD und CDU entgegen.
Diskussionen um den Haushalt und die darin von der Verwaltung angestrebte Steuererhöhung der Grundsteuer B auf einen Hebesatz von 590 Punkten begleiteten die vergangene Sitzungsperiode maßgeblich. Die Frage nach der Notwendigkeit und des „richtigen Zeitpunkts“ trieb die Fraktionen bis zum Schluss um.
Das Ergebnis am Dienstagabend brachte schließlich ein „Deal“ zwischen CDU und SPD, der, so vermutete es Matthias Clever (Grüne) bereits zu Beginn der Sitzung, schon vor der Ratssitzung zwischen den beiden Fraktionen gefasst wurde. Tatsächlich mutete es etwas inszeniert an, dass sich Martin Kastner (SPD) und Marvin Schüle (CDU) in einer von Michael Brosch anmoderierten Sitzungspause zusammenstellten und „auf die Schnelle“ einen Kompromiss „ausarbeiteten“. Dieser im Nachgang mehrheitlich gefasste Beschluss sieht nun vor:
Die Grundsteuer B wird von 430 auf 493 Punkte angehoben.
Die Gewerbesteuer wird von 423 auf 433 Punkte angehoben.
Die Grundsteuer A bleibt unverändert bei 230 Punkten.
Auf ungeteilte Zustimmung aus seinen Reihen kann sich Fraktionsvorsitzender Marvin Schüle dabei nicht berufen. Der Kompromiss-Koalition mit der SPD bescheinigten Martina Hesse, Matthias Lauermann und Jens Vohrmann eine Absage. Sie votierten somit ebenso gegen den Haushalt wie die Fraktionsmitglieder der Grünen (5 Stimmen), der FDP (3) und der UWG (3).
Vor der Abstimmung durch die Gremiumsmitglieder hatten die Fraktionsvorsitzenden das Wort ergriffen, um in ihren Haushaltsreden Position zu beziehen. Einzig Matthias Clever verzichtete auf seinen Vortrag, da er den SPD-/CDU-„Deal“ und somit den Ausgang der Abstimmung „witterte“.
Die Haushaltsreden der Fraktionsvorsitzenden sind im Folgenden aufgeführt:
SPD – Martin Kastner
Steuererhöhung „notwendig und längst überfällig“
„Die Stadt Halver braucht einen genehmigungsfähigen und ausgeglichenen Haushalt für das Jahr 2023 und einen strukturellen Haushaltausgleich für die Folgejahre. Nur damit können die Aufgaben für die Bürger und Betriebe erbracht werden“, sagt SPD-Fraktionsvorsitzender Martin Kastner in seiner Haushaltsrede. Die SPD unterstütze den Kompromissvorschlag der Verwaltung zur moderaten Anhebung der Steuersätze. Nach circa zehn Jahren sei dieser Ansatz „notwendig und längst überfällig“. Die Anhebung der Grundsteuer B belaste den Durchschnittshaushalt mit circa 4,50 Euro im Monat, so die Rechnung der SPD.
Kastner weiter: „Bei einer Ausgangslage mit steigender Kreisumlage, steigenden Energiekosten und Tariflohnentwicklungen, niedrigeren Schlüsselzuweisungen vom Land ist Verharren unter den fiktiven Hebesätzen geradezu fahrlässig.“
Auch bei einer Gewerbesteueranhebung von nur 17 Punkten auf 440 bleibe Halver kreisweit unten und somit weiterhin attraktiv für gewerbliche Ansiedlung, ist sich Kastner sicher. Schließlich würde die Gewerbesteuer nur bei Gewinnen und nach Abzug der Freibeträge gezahlt. In schwächeren Wirtschaftsphasen falle sie, so Kastner, nicht an, „aber die Leistungen der Kommune werden weiterhin erbracht.“
Die Last, so lautet die einhellige Meinung der Sozialdemokraten in Halver, solle „fair auf viele Schultern aufgeteilt werden, damit die Stadt weiterhin ihre Aufgaben für alle erfüllen kann“. Die SPD wolle zum einen vermeiden, nachfolgende Generationen mit Schulden zu belasten. Zum anderen könne die Finanzierung der zukünftigen Haushalte nicht mit dem „Verkauf von Halveraner Boden“ einhergehen.
Die SPD-Fraktion stimmte einstimmig für den Haushalt.
Lesen Sie hier die vollständige Haushaltsrede von Martin Kastner (SPD).
SPD-Der-Haushalt-2023.pdf (lokaldirektcdn.de)
CDU – Marvin Schüle
„Kompromiss im Sinne der Sache sinnvoll“
Die CDU-Fraktion konnte keinen Konsens in der Haushalts-Abstimmung finden. Letztlich ebneten die Stimmen von sechs Fraktionsmitgliedern neben denen der gesamten SPD den Weg für die Erhöhung der Grundsteuer B und der Gewerbesteuer.
Zwar habe die CDU eine Steuererhöhung „stets kritisch gesehen und intensiv diskutiert“ und eine „ordentliche Struktur und Aufteilung“ der Projektliste gefordert. „Doch eines wird auch nach dem ‚Aufräumen‘ der Projektliste klar – Es reicht nicht, um den Haushalt im konsumtiven Bereich auszugleichen. Des Weiteren wird der konsumtive Bereich in diesem Jahr nämlich durch eine höhere Kreisumlage, einen deutlich verbesserten Stellenplan und gestiegene Heizkosten – um nur einige zu nennen – zusätzlich belastet“, erklärt Schüle die Position seiner Fraktion.
Sie sei daher überzeugt, „dass ein Kompromiss im Sinne der Sache sinnvoll und angemessen ist.“ Eine Erhöhung der Grundsteuer A und der Gewerbesteuer sei in diesem Jahr jedoch nicht zielführend. „Die Unternehmen seien gerade in der aktuellen Situation darauf angewiesen, „ihre Gewinne für wichtige zukunftsweisende Investitionen verplanen zu können und so brauchen sie zumindest, wenn eine Erhöhung der Gewerbesteuer gewünscht ist, Planungssicherheit“, so Schüle weiter.
Zwei Punkte sprächen seines Erachtens für eine Erhöhung der Grundsteuer B: die steigende und die Kommunen belastende Kreisumlage und die geringeren Schlüsselzuweisungen des Landes.
Lesen Sie hier die vollständige Haushaltsrede von Marvin Schüle (CDU).
Haushaltsrede-CDU-2023.pdf (lokaldirektcdn.de)
Bündnis 90/Die Grünen – Matthias Clever
„Antizyklisch handeln und jetzt die Bürger entlasten“
„Wir begegnen den Problemen von heute mit Lösungen von gestern. Fehlt Geld im Haushalt, wird der Ruf nach Steuererhöhungen laut. Wir haben aber mehr Möglichkeiten: Wir können Ausgaben senken und andere Einnahmemöglichkeiten erschließen. Wir brauchen Strategien, wie wir Halver zukunftsfähig machen können“, lautet die Meinung von Fraktionschef Matthias Clever.
Die Steuer-Einnahmen seien auf einem Rekordhoch, so Clever, „wir haben jahrelang gespart und nun sollen die Halveranerinnen und Halveraner zusätzlich zahlen? Ja, es ist nie der richtige Zeitpunkt für eine Steuererhöhung. Aber heute ist der schlechteste.“ Man böte den Bürgern und Unternehmern dadurch keinen Mehrwert, so der Standpunkt der Grünen; „keine Vision, wie wir Halver langfristig zukunftssicher aufstellen wollen.“
Man müsse jetzt „antizyklisch handeln und jetzt die Bürger entlasten“ – dies geschehe im Kleinen durch den Gebührenhaushalt. Seit Jahren forderten die Grünen Investitionen in regenerative Energien und seien aufgrund der niedrigen Gaspreise und der offenbaren Unrentabilität belächelt worden. Clever: „Hätten wir uns gemeinsam auf den Weg gemacht und alle kommunalen Gebäude wären heute klimaneutral, könnten wir nur allein durch diese Energieeinsparungen hunderttausende Euro sparen.“
Die Grünen-Fraktion lehnte den Haushaltsentwurf geschlossen ab.
Lesen Sie hier die vollständige Haushaltsrede von Matthias Clever (Grüne).
Gruener-Haushalt-2023.pdf (lokaldirektcdn.de)
UWG – Dr. Sabine Wallmann
„Diesem Haushalt fehlt die Vision für die Zukunft“
Die UWG-Fraktion erteilte dem Haushalt und somit einer Steuer-Erhöhung einstimmig eine Absage. Fraktionsvorsitzende Dr. Sabine Wallmann sagte dazu in ihrer Haushaltsrede: „Wie sollen wir den Halveranern erklären, dass wir nach Jahren mit siebenstelligen Rekordergebnissen in den Jahresabschlüssen noch mehr Steuern brauchen? Steuererhöhungen sind in einer Zeit mit multiplen Krisen kontraproduktiv und inflationstreibend. Wir dürfen den privaten Haushalten und Unternehmen nicht immer mehr Liquidität wegnehmen, Geld, welches sie nicht nur zur Deckung des täglichen Bedarfs, sondern auch für Investitionen in die Zukunft benötigen.“
Hinzu komme die Grundsteuerreform 2025. Man wisse heute noch nicht, welche Möglichkeiten die Kommunen haben, damit umzugehen. „Jetzt schon einmal vorsorglich die Steuern zu erhöhen, halten wir auch aus diesem Grund für unlauter.“
Der Staat habe 2022 Rekordsteuereinnahmen verzeichnet. Auch Halver, so Wallmann, habe Gewerbesteuer-Mehreinnahmen von über 50 Prozent – statt 8 Millionen Euro Euro 12,5 Millionen Euro; „und damit mehr als jemals zuvor.“
Mit dem Haushalt 2023 soll der Rat Bauprojekte in Höhe von 20 Millionen Euro beschließen. In den Jahren zwischen 2013 und 2020 habe Halver jährlich 4 bis 6,5 Millionen Euro real verbaut. Kierspe plane 1,5 Millionen Euro, Schalksmühle 3,13 Millionen Euro und Meinerzhagen 6,4 Millionen Euro investiv zu verbauen. „Und Halver 20 Millionen Euro? Das können wir nicht leisten: nicht sachlich, nicht fachlich und auch nicht finanziell“, lautet das klare Statement der UWG.
„Insofern können wir auch hier nicht zustimmen.“ Das Problem sei hierbei nicht nur die große Anzahl an Bauprojekten, sondern auch der Wunsch nach der 100-Prozent-Lösung – „ohne Rücksicht auf die Kosten“. „Bevor wir als ultima ratio Steuererhöhungen in Betracht ziehen, müssen wir als Kommune zunächst unsere Hausaufgaben machen: professionelles Projektmanagement einführen, Projekte priorisieren, wirtschaftlicher planen und ausführen, in Organisationsabläufen digitaler und effizienter werden, Ausgaben kontrollieren, teure Energie einsparen.“ In diesem Haushalt fehle, so die UWG, „die Vision für die Zukunft“.
Lesen Sie hier die vollständige Haushaltsrede von Dr. Sabine Wallmann (UWG).
HHrede-der-UWG-2023.pdf (lokaldirektcdn.de)
FDP – Sascha Gerhardt
„Investitionen überprüfen und notfalls streichen“
„Die FDP-Fraktion erkennt an, dass sich die Stadt in einer schwierigen Lage befindet. Allerdings stellen wir uns auch die Frage, ob Steuererhöhungen tatsächlich die einzig verbliebenen Mittel sind, um diese Schwierigkeiten zu überwinden“, äußert sich FDP-Fraktionsvorsitzender Sascha Gerhardt in seiner Haushaltsrede. Ferner weise die FDP zurück, dass die Bürgerinnen und Bürger der Stadt Halver bisher nicht angemessen an der Finanzierung der Stadt beteiligt waren.
Schaue man auf die direkten kommunalen Steuern, so hätten sich die Sätze in der Tat seit einigen Jahren nicht erhöht und umliegende Städte wie zum Beispiel Kierspe wiesen zum Teil deutlich höhere
Steuersätze auf, so Gerhardt. Allerdings sei es falsch anzunehmen, dass Halver deshalb die letzte
Steueroase inmitten einer Hochsteuerregion wäre. Gerhardt: „Schließlich hat sich die Stadt Halver auf andere Weise das Geld bei den Bürgerinnen und Bürgern abgeholt – nämlich in Form der höchsten Abwassergebühren weit und breit.“
Die Bürger seien derzeit ohnehin bereits durch Inflation und insbesondere durch erhöhte Energiekosten und Lebensmittelpreise massiv unter Druck. Eine Anhebung von Steuern werde, so die FDP, weiteren Druck verursachen – insofern käme eine Anhebung der Steuern „zum denkbar schlechtesten Zeitpunkt“.
„Daher lehnt die FDP-Fraktion die Anhebung der Grundsteuer B in der durch den Kämmerer und Bürgermeister vorgelegten Höhe (590 Prozent) ab.“
Auch eine Gewerbesteuer-Erhöhung wird von der FDP „strikt abgelehnt“, hätten Betriebe zuletzt ohnehin mit rund 12,5 Millionen Euro annähernd vier Millionen Euro mehr Gewerbesteuern gezahlt, als es von der Stadt kalkuliert wurde.
Gerhardt führt die Position der FDP weiter aus, er sehe nicht das Problem auf Seiten der Einnahmen, sondern vielmehr bei den Ausgaben – das Investitionsvolumen läge bei mehr als 20 Millionen Euro. „Da die Stadt nicht ständig die Steuerschrauben drehen und die Einnahmen erhöhen kann, sind die Investitionen der nächsten Jahre unbedingt kritisch zu hinterfragen und notfalls auch zu streichen.“
Lesen Sie hier die vollständige Haushaltsrede von Sascha Gerhardt (FDP).
Microsoft Word – FDP-Fraktion- Rede zum Haushalt 2023 (lokaldirektcdn.de)